Für das Energiesystem der Zukunft muss das Stromnetz ausgebaut werden! Aber warum eigentlich? Und welche Herausforderungen gibt es beim Ausbau und gibt es Alternativen dazu? In diesem Blogartikel versuchen wir Antworten auf genau diese Fragen zu liefern.

Netzbetreiber haben die Aufgabe, das Stromnetz so zu betreiben, dass Kund:innen sicher, zuverlässig und kostengünstig mit Strom versorgt werden können. Voraussetzung dafür ist, dass sich Erzeugung und Verbrauch immer die Waage halten. Es muss also immer so viel Strom in das Netz fließen – durch Kraftwerke, Windräder, PV-Anlagen, etc. –, wie dem Netz entnommen wird – von Haushalten, Unternehmen und Industrieanlagen etc. Und zwar zu jedem Zeitpunkt! Entscheidend für die Stabilität des Stromnetzes ist also die Leistung, nicht die Energie. Zur Erklärung:

Energie: Das ist die Menge an Strom, die über einen Zeitraum verbraucht oder ins Netz eingespeist wird. Man misst sie in Kilowattstunden (kWh).
Leistung: Das ist die Menge an Strom, die zu einem ganz bestimmten Augenblick benötigt und dem Netz entnommen oder erzeugt und in das Netz eingespeist wird. Man misst sie in Kilowatt (kW).

Zur Verdeutlichung ein Rechenbeispiel:
In einem Haushalt sind drei Geräte gleichzeitig für eine Stunde eingeschaltet. Jedes Gerät benötigt eine Leistung von 1 KW, gesamt beziehen sie also 3 KW Leistung über eine Stunde. Das ergibt nach der physikalischen Formel Arbeit = Leistung x Zeit insgesamt einen Energieverbrauch (=Arbeit) von 3 Kilowattstunden. Würden die drei Geräte nicht gleichzeitig, sondern hintereinander für jeweils eine Stunde in Betrieb genommen, wäre der Energieverbrauch über drei Stunden ebenfalls 3 kWh. In diesem Fall läge aber die Leistung über den gesamten Zeitraum von drei Stunden bei nur 1 kW.

Was bedeutet das für den Netzausbau?

Der Unterschied zwischen Leistung und Energie ist deshalb wichtig zu verstehen, weil sich der Ausbau des Netzes immer an der maximalen Leistung orientiert, die sich im Netz befinden (kann). In den letzten Jahren wurden viele Anwendungen elektrifiziert (Wärmepumpen, E-Autos, etc.). Gleichzeitig sind viele dezentrale Erzeugungsanlagen ans Netz angeschlossen worden. Die Maximalleistung, die das Netz "vertragen” oder bewältigen muss, wurde damit drastisch erhöht – insgesamt befindet sich heute wesentlich “mehr Strom” gleichzeitig im Netz als früher.

Die Leistung ist dabei aber nicht konstant. Vor allem erneuerbare Erzeugungsanlagen aus dem Bereich Photovoltaik erzeugen zu manchen Zeiten alle gleichzeitig sehr viel Strom und erhöhen entsprechend die Strommenge im Netz. Zu anderen Zeiten erzeugen sie sehr wenig oder gar nichts. Und genau das wird aktuell zur Herausforderung im Netzausbau. Es wäre sicher wünschenswert, aber volkswirtschaftlich nicht sehr sinnvoll, das Netz auf eine Maximalleistung auszubauen, die nur in wenigen Stunden im Jahr – vor allem zu Mittageszeiten im Sommer – erreicht wird. Denn: Netzausbau ist teuer. Es entstehen Kosten, die letztlich Kund:innen über den Netztarif finanziert müssen. Außerdem kann der Ausbau des Netzes nie so schnell vonstattengehen, wie der Ausbau erneuerbarer Energien, da für den Netzausbau große Vorlaufzeiten und Prüfverfahren eingehalten werden müssen, die es bei PV-Anlagen in der Regel nicht gibt. Sinnvoll im Netzausbau ist es daher der Grundsatz: So viel wie nötig.

Gerade in den letzten Jahren werden daher Wege gesucht, um die Belastung im Netz zu senken, ohne das Netz übermäßig ausbauen zu müssen. Möglichkeiten, die im aktuellen Elektrizitätswirtschaftsgesetz (ElWG) zur Diskussion stehen, sind etwa:

Spitzenkappung: Indem Kund:innen – vor allem wegen der Spitzenzeiten – nicht mehr den gesamten produzierten PV-Strom ins Netz einspeisen können, kann das Netz maßgeblich entlastet werden. Laut aktuellem ElWG soll die Einspeisung ins Netz bei 60% gestoppt werden. Und zwar permanent. Sonnenstrom, der darüber hinaus erzeugt wird, kann weiterhin in der eigenen Kundenanlage verbraucht oder gespeichert werden, aber nicht mehr direkt eingespeist werden. Um technisch auf diese Möglichkeit vorbereitet zu sein, werden von den Netzbetreibern für neu installierte PV-Anlagen seit Anfang 2025 sogenannte Lastschaltgeräte eingebaut. In weiterer Zukunft soll diese statische Einspeisegrenze abgelöst und durch neue Steuersysteme ersetzt werden, die dann auch dynamisch angepasst werden können. An diesen Systemen wird bereits gearbeitet.
Anreize für systemdienliches Kund:innenverhalten: wenn nicht alle Kund:innen Strom gleichzeitig ins Netz einspeisen bzw. zu den gleichen Zeiten große Mengen an Strom beziehen, können Leistungsspitzen abgeflacht werden. Auch das bedeutet, dass insgesamt weniger Strom gleichzeitig im Netz unterwegs ist und das Netz weniger schnell ausgebaut werden muss. Laut aktuellem ElWG-Entwurf soll systemdienliches Verhalten durch günstigere Netztarife belohnt werden. Systemdienliches Verhalten bedeutet zum Beispiel:
- Kund:innen nehmen Haushaltsgeräte wie - z.B. Geschirrspüler, Waschmaschine und Herd bewusst nicht gleichzeitig in Betrieb.
- Kund:innen nutzen Geräte vor allem zu Zeiten, wo viel Strom im Netz vorhanden ist bzw. die eigene PV-Anlage viel Strom produziert (etwa zur Mittagszeit an einem sonnigen Tag).
- Intelligente Energiemanagementsysteme steuern große Verbraucher bzw. Erzeuger wie Wärmepumpe, PV Anlage, Wallbox etc. automatisch ohne weiteres Zutun so, dass es sich entlastend auf das Stromnetz auswirkt. Das betrifft etwa auch Speicher. Diese sollten künftig kontinuierlich und nicht gleich in der Früh vollgeladen werden.

Fazit

Unser Leben verändert sich und damit auch die Art und Weise, wie wir Energie nutzen. Der erhöhte Strombedarf sowie der kontinuierliche Anstieg erneuerbarer Erzeugung machen einen raschen Netzausbau unerlässlich. Dennoch muss weiterhin darauf geachtet werden – sowohl im wirtschaftlichen als auch ökologischen Interesse – nicht über das Ziel hinauszuschießen, sondern einen zielgerichteten Netzausbau zu forcieren, der ein sicheres, zukunftsfähiges und leistbares Netz für alle gewährleistet.