Immer wieder wird behauptet, dass es internationaler Standard sei, Erdkabelverbindungen anstatt von Freileitungen zu bauen. Österreich sei hier rückständig und die Netzbetreiber nicht fähig oder willens, auf die Zukunftstechnologie Erdkabel zu setzen.

Faktencheck: Erdkabel sind internationaler Standard und werden in Österreich nicht eingesetzt.

Diese Behauptung ist falsch. In Österreich sind, wie auch in den anderen Ländern Europas, sowohl Freileitungen als auch Erdkabel Standard. Die Einsatzmöglichkeiten werden allerdings stark von der Betriebsart, der Spannung und letztlich den Kosten beeinflusst. Es gelten grob folgende Faustregeln:

Bei hohen Spannungen (Höchst- und Hochspannungsnetz) kommen überwiegend Freileitungen zum Einsatz.
Bei niedrigeren Spannungen (Mittel- und Niederspannungsnetz) kommen überwiegend Erdkabel zum Einsatz.

Laut Regulierungsbehörde E-Control stellt sich das Verhältnis Freileitung: Erdkabel in Österreich wie folgt dar:

Bild 1

Vom Kabelanteil im Hoch- und Höchstspannungsnetz eine Erdkabelfeindlichkeit bei den Stromnetzbetreibern in Österreich abzuleiten, ist Unsinn. Vielmehr bestätigt die Aufteilung die Faustregeln von oben.

Quelle:

Link e-control Bestandsstatistik 2019

Faktencheck: Andere Netzbetreiber sind fortschrittlicher als jene in Österreich!

Auch die Behauptung ist falsch. Betrachtet man den Erdkabelanteil im Hochspannungsnetz liegt Österreich übrigens durchaus im europäischen Schnitt:

Bild 2

Quellen:

Die Freileitung kommt seit Beginn der Stromversorgung Ende des 19. Jahrhunderts zum Einsatz. Gründe dafür sind, dass die Leiterseile der Freileitungen ohne großen Aufwand gefertigt werden konnten. Erdkabel konnten hingegen damals noch nicht in der entsprechenden Qualität und Haltbarkeit hergestellt werden. Aus diesem Grund bauen alle historisch gewachsenen Stromnetze weltweit auf Freileitungsnetze auf. Heute sind sowohl die Leiterseile von Freileitungen als auch Erdkabel technisch weitestgehend ausgereift und standardisiert. Sie werden industriell gefertigt.

Tatsache ist aber auch, dass Erdkabel auch heute noch immer eine wesentlich kürzere Lebensdauer (ca. die Hälfte) als Leiterseile von Freileitungen haben. Dies liegt vor allem daran, dass die Kabel zur Isolierung und zum Schutz einen entsprechend kompakten Aufbau haben und während des Betriebes in der Erde vergraben sind.

Tatsache ist auch, dass die im Betrieb durch Spannung und Stromfluss entstehende Wärme in einem Erdkabel durch die umgebende Erde extrem schlecht abgeführt werden kann. Deshalb wird ein Erdkabel permanent unter hoher Wärmeentwicklung von 50 bis 100 Grad Celsius betrieben. Beim Verlegen eines 110-kV-Erdkabels werden diese in ein spezielles Sandbett gelegt, das die Wärmeabfuhr unterstützt. Bei Kabelverbindungen mit höheren Spannungen besteht oftmals sogar die Notwendigkeit einer aktiven Kühlung der Kabel.

Wesentlich beeinflusst auch die Betriebsweise des Stromnetzes und der Strom selbst (Spannung und Menge) die Möglichkeit, Erdkabel einzusetzen.