Immer wieder wird – wenn über die Errichtung einer Hochspannungsleitung gesprochen wird – behauptet, dass „ein Erdkabel viel sicherer als eine Freileitung ist und dass deshalb unbedingt einer Verkabelung der Vorzug zu geben ist“. Die Stromausfälle während extremer Witterungsereignisse würden das belegen.
Behauptet wird also:

Ein Erdkabel ist viel sicherer als eine Freileitung
Behauptung 1 würden durch Stromausfälle während extremer Witterungsereignisse belegt.

Faktencheck 1: Ein Erdkabel ist viel sicherer als eine Freileitung

Diese Behauptung ist falsch, wenn sie wie hier auf das Hochspannungsnetz bezogen wird. Das 110-kV-Hochspannungsnetz der Netz Oberösterreich gehört zu den sichersten Verteilnetzen in Österreich. Es ist 1.196 Kilometer lang und hat einen Kabelanteil von 1,7% (1.176 Kilometer Freileitung, 20 Kilometer Erdkabel).

Die Zahl der Störungen bei Freileitungen oder Erdkabel im Hochspannungsbereich ist fast gleich. Unterschiede ergeben sich bei Schäden an den Verbindungen vor allem in der Zeit, in der ein Schaden repariert werden kann: Sind es bei der Freileitung im Normalfall Stunden bis Tage, dauert eine Behebung im Kabelbereich in der Regel Tage und Wochen.

Faktencheck 2: Ein Erdkabel ist viel sicherer als eine Freileitung, Stromausfälle während extremer Witterungsereignisse würden das belegen.

Diese Behauptung ist wiederum falsch, wenn sie wie hier auf das Hochspannungsnetz bezogen wird.

Schäden an den Freileitungen im Hochspannungsnetz können durch Seilrisse und Mastbrüche entstehen. Seilrisse durch Witterungsbedingungen wie Schneedruck, Eislasten oder Sturmereignisse sind extrem selten. Derartiges ist im Hochspannungsnetz der Netz Oberösterreich seit dem Jahr 2000 erst zweimal vorgekommen. Mastbrüche hat es seit den 1970er-Jahren im Hochspannungsnetz in Oberösterreich nicht mehr gegeben. Grund ist hier vor allem das vorausschauende Trassenmanagement, das vorausschauend Einflüsse auf die Hochspannungs-Leitungsanlagen verhindern soll.

Zu Störungen im Bereich des Hochspannungsnetzes kommt es in der Regel durch externe Einflüsse: 2019 wurde beispielsweise ein Leitungssystem durch den Greifarm einer Arbeitsmaschine (“Harvester”) bei Forstarbeiten beschädigt. 2016 kam es mehrmals zu Leitungsausfällen wegen Paragleitern und Fluggeräten, die in den Leiterseilen gelandet sind.

Die Behauptung, dass ein Erdkabel nicht beschädigt werden kann, ist allerdings falsch. Denn gerade dort, wo Erdkabel im Hochspannungsbereich in der Regel zum Einsatz kommen, im dichtverbauten städtischen Bereich, sind Baggerarbeiten der größte Feind der sicheren Versorgung. 2016 wurde ein Hochspannungskabel außerhalb von Linz durch einen Bagger beschädigt, die Reparatur hat mehrere Wochen in Anspruch genommen. Erst 2020 wurde in Wien eine 380.000 Volt-Erdkabelverbindung bei Bauarbeiten beschädigt. Die aufwändige Reparatur, die normalerweise vier bis sechs Monate dauert, konnte durch glückliche Zufälle auf drei Monate reduziert werden.

Anfälliger für Störungen sind Leitungen im Mittelspannungsnetz (10 kV, 30 kV; 7.959 km, davon 34 % Kalbelanteil) und Niederspannungsnetz (≤ 1 kV; 23.210 km, 73 % Kabelanteil). Alleine durch die rund 30-fache Länge des Leitungs- und Kabelnetzes kommt es hier häufiger zu Fehlern und Schäden. Auch aufgrund der geringeren Mindestabstände treten auch Störungen durch Bäume, Kräne oder anderer Einflüsse häufiger auf. Bezogen auf die Mittel- und Niederspannungsebene trifft die Behauptung zu. Fakt ist allerdings auch, dass Erdkabel auf allen Spannungsebenen regelmäßig durch Baumaschinen beschädigt werden.

Neue Leitungen im Mittel- und Niederspannungsnetz werden im Normalfall als Erdkabel ausgeführt. Die Netz Oberösterreich investiert jährlich rund 100 Millionen Euro, um unter anderem besonders gefährdete Freileitungen durch Erdkabel zu ersetzen. Diese Maßnahmen erhöhen direkt die Versorgungssicherheit unserer Kunden. Zusätzlich wurden seit 2008 weitere 70 Millionen Euro in die Verkabelung von besonders störungsanfälligen Freileitungen durch Wälder oder in Waldnähe investiert: Dadurch konnte die Störungsanfälligkeit und -häufigkeit deutlich gesenkt werden. Auch in den kommenden Jahren wird besonderes Augenmerk auf diesem Bereich liegen.