Lange hat die gesamte Energiebranche darauf gewartet, nun ist er da – der Entwurf für das neue Elektrizitäts-Wirtschaftsgesetz (ElWG). Aktuell befindet sich der Gesetzesentwurf in Begutachtung und es gibt die Möglichkeit, Stellung zu den vorgeschlagenen Maßnahmen zu beziehen. Wir möchten schon jetzt darüber berichten, welche Veränderungen die im Gesetzesentwurf vorgeschlagenen Maßnahmen für Netzbetreiber bedeuten (würden) und wie wir zu diesen Veränderungen stehen.

Um die vorgeschlagenen Maßnahmen verstehen zu können, möchten wir zuerst noch zwei grundlegende Aspekte hervorheben, die für ein stabiles Stromnetz essentiell sind:

Erzeugung und Verbrauch müssen immer in Balance sein: Im Stromnetz müssen sich Erzeugung und Verbrauch immer die Waage halten. Es muss also immer so viel Strom erzeugt werden (durch Kraftwerke, Windräder, PV-Anlagen etc.), wie gerade verbraucht wird – z.B. von Unternehmen, Organisationen und Hauhalten.
Die Spitzenleistung bestimmt die Größe des Stromnetzes: Das Stromnetz muss darauf ausgelegt sein, die größte Menge Strom, die jemals gleichzeitig fließen soll (also die Spitzenleistung), transportieren zu können. Die Höhe dieser Spitzenleistung bestimmt aktuell die Notwendigkeit des Netzausbaus.

Spitzenkappung

Stellen Sie sich vor, unser Stromnetz ist wie ein großes Wasserrohr. Manchmal fließt sehr viel Wasser gleichzeitig durch – das sind die "Spitzen", also Zeiten, in denen besonders viel Strom gebraucht oder erzeugt wird. Die Spitzenkappung bedeutet, dass wir versuchen, diese extremen "Spitzen" in der Einspeisung etwas zu reduzieren – laut aktuellem Vorschlag durch eine Begrenzung von 60 % Einspeisung von PV-, aber auch bei Windkraftanlagen.

Unser Fazit: Wir sehen die Spitzenkappung als ein gutes Werkzeug, um den Ausbau des Stromnetzes zu „steuern“. Wenn wir Spitzen etwas "abflachen" können, müssen wir das Netz nicht sofort auf das absolute Maximum ausbauen, nur um ein paar Stunden im Jahr (vor allem mittags im Sommer) die höchste Last zu bewältigen. Das gibt uns als Netzbetreiber mehr Zeit und Flexibilität für den Netzausbau und macht das Gesamtsystem nicht unnötig teuer. Trotzdem soll es möglich sein, beim Netzausbau auch entsprechende "Netzreserven" aufzubauen. Das bedeutet, dass wir immer noch genügend Kapazität im Netz haben, um sicherzustellen, dass der Strom jederzeit zuverlässig fließt und auch noch weitere Erzeugungsanlagen anschließen zu können, ohne dass erneut ein Netzausbau notwendig wird. Es geht also darum, eine gute Balance zu finden: Spitzen kappen, um flexibler zu sein und Kosten zu sparen, aber gleichzeitig sicherstellen, dass unser Netz stabil und leistungsfähig bleibt und noch Reserven bietet.

Die Spitzenkappung auch für Windkraftanlagen vorzusehen, erscheint uns als Netzbetreiber nicht zwingend sinnvoll, weil Windparks grundsätzlich über leistungsfähige Netzanbindungen und regelbare Kraftwerkssteuerungen verfügen, auf die der Netzbetreiber schon heute einwirken kann. Außerdem: Wind- und Sonnenenergie haben in der Regel abweichende Erzeugungsprofile – Wind weht in der Nacht, wenn keine Sonne scheint; Sonne hat zu Mittag Spitzen, Wind an Sonnentagen eher nicht. Daher sind Wind- und Sonnenenergie eigentlich zwei sich sehr gut ergänzende Energieformen.
Die optimale Leistungsfähigkeit würde das System aber erst entfalten, wenn die Netzbetreiber Systeme zur Verfügung haben, die Leistungskappungen dynamisch, optimiert auf den aktuellen Netzzustand abgestimmt, vorzunehmen. Das würde heißen, dass die Eingriffe tatsächlich nur dann und in dem Ausmaß stattfinden würden, wie sie wirklich notwendig sind. Beschränkungen würde es dann vor allem an PV-Spitzentagen geben, an bewölkten Tagen oder im Winter würde die volle Leistung der Einspeiseanlagen zur Verfügung stehen. An der Realisierung derartiger Möglichkeiten wird aktuell gearbeitet, diese werden aber erst in einigen Jahren zur Verfügung stehen.

Systemdienliches Verhalten

Künftig soll es sich finanziell auszahlen, wenn man seinen Stromverbrauch oder die Stromeinspeisung an die Auslastung des Netzes anpasst (dynamische Netztarife). Das heißt:
Wenn Sie Strom entnehmen (beziehen): Wenn Sie zu Spitzenzeiten viel Strom vom Netz brauchen, sollte das etwas mehr kosten. Wenn Sie Ihren Verbrauch in Zeiten verlegen können, in denen das Netz weniger ausgelastet ist (weg von den Spitzenzeiten, z.B. nachts oder am Wochenende), sollte es günstiger sein. Es ist nicht gemeint, dass Sie zu Mittag nicht mehr kochen sollten; gemeint ist, dass Sie größere Verbräuche wie z.B. Waschmaschine oder Geschirrspüler flexibel steuern.

Wenn Sie Strom einspeisen (bereitstellen): Auch hier gilt das Prinzip: Wenn Sie Strom in das Netz einspeisen – zum Beispiel mit Ihrer PV-Anlage – dann ist es vorteilhafter, wenn Sie zu Spitzenzeiten der Erzeugung weniger in das Stromnetz einspeisen, z.B. weil Sie dann ihren Batteriespeicher laden oder eigene Verbraucher zu dieser Zeit nutzen und so das Netz entlasten. Größere Verbräuche wie z.B. Waschmaschine, Geschirrspüler oder Warmwasserbereitung könnten Sie in diesen Zeitraum verlegen.

Unser Fazit: Durch dieses Prinzip sollen Anreize geschaffen werden, damit alle mithelfen, das Stromnetz besser auszulasten, ohne dass es dabei zu nennenswerten Verlusten in der Lebensqualität kommt. Das begrüßen wir. Denn das hilft uns als Netzbetreiber, Engpässe zu vermeiden, das Netz stabil zu halten und teure Ausbauten – die meist nur für weniger Stunden im Jahr tatsächlich notwendig wären – zu reduzieren. Es ist eine Win-Win-Situation: Kund:innen können potenziell Geld sparen, und das Stromnetz funktioniert besser für alle und wird langfristig auch billiger für alle.

Netzkosten fürs Einspeisen

Netzkosten sind jene Kosten, die entstehen, damit das Stromnetz überhaupt funktioniert. Dazu gehört die Wartung der bestehenden Leitungen, die Reparatur bei Störungen aber auch der Ausbau des Netzes, damit wir in Zukunft noch mehr Strom aus Sonne und Wind aufnehmen können. Bisher mussten private Einspeiser von PV-Strom keine Gebühren für das Einspeisen bezahlen. Nun wird überlegt, auch für das Einspeisen Netzgebühren einzuheben.

Unser Fazit: Wir haben Verständnis dafür, dass die Aussicht auf Netzkosten für das Einspeisen von PV-Strom für Missmut bei Anlagenbesitzer:innen sorgt. Aus Netzbetreiber-Sicht sind wir aber grundsätzlich der Meinung: Wer das Stromnetz nutzt, soll sich auch an den Kosten beteiligen – in beide Richtungen, Entnahme und Einspeisen. Vor allem dann, wenn die Einspeisung höher als der Bezug ist – etwa wenn Sie einen Hausanschluss mit 4, 7 oder 11 kW Bezugsleistung haben, ihre PV-Anlage aber mit 20 kW in das Stromnetz einspeist. Große Kraftwerke mit mehr als 5.000 kW Erzeugungsleistung müssen auch heute schon pro Kilowattstunde ca. 0,4 Cent Systemdienstleistungsentgelt bezahlen. Nimmt man diesen Betrag als Orientierung, ergäbe das bei 1.000 eingespeisten Kilowattstunden ca. 4 Euro Netzkosten. Der Marktpreis für dieselbe Menge eingespeiste Energie liegt im Sommer 2025 bei ca. 57 Euro.

Auslesung intelligenter Messgeräte

„Intelligente Messgeräte", auch „smart meter“ genannt, sind moderne digitale Stromzähler. Sie erfassen Stromflüsse in 15-Minuten Intervallen. Bisher war die Idee, dass die "Viertelstundenwert-Erfassung" zum neuen Standard werden sollte. Nun ist man davon wieder abgekommen und der Meinung, dass das zu viel des Guten sein könnte: Durch diese Erfassung fallen große Mengen an Daten an, die in vielen Fällen keinen tatsächlichen Nutzen haben. Man ist deshalb der Meinung, dass diese sehr genaue Viertelstunden-Aufzeichnung nur dort genutzt werden soll, wo sie wirklich notwendig ist. Zum Beispiel, wenn Kund:innen Teil einer Energiegemeinschaft sind oder wenn einen Stromtarif haben, der sich je nach Tageszeit ändert. In diesen Fällen hilft die genaue Messung, die Vorteile der 15-Minutenwerte voll zu nutzen.

Unser Fazit: Diese Maßnahme ist aus unserer Sicht sinnvoll. Um eine Analyse des eigenen Verbrauchsverhaltens durchführen zu können, kann diese engere Ausleseintervall sehr wohl Sinn machen, für eine transparentere Darstellung der Kund:innenverbräuche ist das aber in der Regel nicht notwendig. Echtzeitdaten können von jedem:r Kund:in mit eigenem Lesekopf ohnehin schon jetzt ausgelesen und in eigenen Energiemanagementsystemen verwendet werden. Es gibt keinen sinnvollen Grund, für Millionen von Stromkund:innen riesige Datenmengen ohne Nutzen anzulegen.

Elektronische Kommunikation

Heute ist es ganz normal, dass wir fast alles digital erledigen: E-Mails schreiben, Online-Banking nutzen, Rechnungen am Computer erhalten. Deshalb soll auch die Kommunikation mit uns als Netzbetreiber standardmäßig elektronisch ablaufen – über Mails oder etwa ein Online-Portal. Möchte jemand die elektronische Kommunikation nicht nutzen, sondern weiterhin Post in Papierform erhalten, soll es die Möglichkeit eines „Opt-Out“ geben.

Unser Fazit: Elektronische Kommunikation finden wir sinnvoll. Wichtig ist uns aber, dass das "Opt-out" unkompliziert möglich sein muss. So stellen wir sicher, dass niemand ausgeschlossen wird, aber der Großteil der Kommunikation effizient und modern abläuft.

Stromweitergabe und Peer-to-Peer-Netzwerke

Energiegemeinschaften sind Gruppen von Menschen, die sich zusammentun, um Strom gemeinsam zu erzeugen und zu nutzen. Zum Beispiel, wenn mehrere Häuser in einem Dorf zusammen eine PV-Anlage betreiben und den Strom untereinander aufteilen. Das ist schon heute möglich und wird von den Netzbetreibern, also uns, auch unterstützt. Wir finden das gut, weil es hilft, das Netz besser zu nutzen, Bewusstsein zu schaffen und die Energiewende voranzutreiben.

Was sind "Peer-to-Peer-Netzwerke"?
Es ist vorgesehen, direkte Stromlieferverträge zwischen Einzelpersonen oder kleinen Gruppen – sogenannte "Peer-to-Peer-Verträge" – noch einfacher zu machen, ohne der Notwendigkeit einer Vereinsgründung, wie das aktuell bei Energiegemeinschaften der Fall ist. Das würde bedeuten, dass der Markt für Strom noch offener wird.

Unser Fazit: Diese Maßnahme ist für uns als Netzbetreiber kein Problem. Es ist aber wichtig hier auf Klarheit zu achten, damit die Abgrenzung zu Energiegemeinschaften nachvollziehbar ist und es hier zu keinen Verwirrungen kommt. Gleichzeitig muss darauf geachtet werden, dass im Idealfall Abrechnungsmodelle zur Anwendung kommen, die einfach sind und sich in der Praxis bereits bewährt haben.

Verlängerung der Abschreibungsdauer

Aktuell können, wie in allen Wirtschaftsbereichen, Investitionen in Netzinfrastruktur auf einen bestimmte, festgelegte Dauer abgeschrieben werden. In Zukunft soll die Verlängerung der Abschreibung auf die tatsächliche Nutzungsdauer verlängert werden können. Entstehende Investitionskosten werden dadurch auf einen längeren Zeitraum verteilt, wodurch Netzentgelte sinken können.

Unser Fazit: Grundsätzlich ist es denkbar, die Abschreibungsdauer zu verlängern. Eine doppelt so lange Abschreibungsdauer wird aber nicht zur Halbierung der Netzentgelte führen! Die tatsächliche Senkung dürfte im niedrigen zweistelligen Prozentsatz zwischen 10 und 20 % liegen. Der Rückgang ist also spürbar, aber nicht riesig. Außerdem ist wichtig zu berücksichtigen, dass eine längere Laufzeit die Finanzierung der Investitionen verteuert. Das liegt daran, dass etwa Zinsen über einen längeren Zeitraum anfallen. Es gilt also kurzfristig niedrigere Netzentgelte gegen langfristig höhere Gesamtkosten für die Refinanzierung der Netzinvestitionen abzuwägen.

Flexible Netzentgelte

Flexible Netzentgelte sind ein Weg, wie wir das Stromnetz besser nutzen können. Sie sorgen dafür, dass die Kosten für die Nutzung des Netzes nicht immer gleich sind, sondern sich anpassen. Beziehen Kund:innen Strom zu Zeiten, in denen es einen Überschuss gibt – etwa mittags an einem sonnigen Tag –, sollte der Netztarif günstiger sein, da sie sich damit netzdienlich verhalten. Und wenn künftig – wie im ElWG vorgesehen – Kosten für das Einspeisen von Strom anfallen, sollte es sich ebenso verhalten: Speisen Kund:innen Strom zu Zeiten ein, in denen viel Strom nachgefragt wird, sollte fürs das Einspeisen zu dieser Zeit ebenfalls ein geringerer Netztarif anfallen. .

Unser Fazit: Wir sehen flexible Netzentgelte als gute Möglichkeit an, netzdienliches Verhalten bei Kund:innen anzuregen. Durch netzdienliches Verhalten kann ein wenig Druck aus dem Netzausbau genommen werden, was das gesamte System für Kund:innen günstiger macht.

Digitalisierung der Messsysteme

Es wird die Verwendung neuer Messsysteme, die zum Beispiel dazu dienen, den Stromverbrauch genauer anzuzeigen oder Rechnungen nachvollziehbarer zu machen, überlegt.

Unser Fazit: Wir sind absolut gegen den Aufbau neuer, paralleler Messystem-Strukturen. Die Netzbetreiber sind verpflichtet, geeichte Messgeräte einzusetzen und eine korrekte Abrechnung der transportierten Energiemengen sicherzustellen. Etwaige neue Messsysteme müssen deshalb in jedem Fall so gestaltet sein, dass sie immer mit den Messsystemen der Netzbetreiber zusammenarbeiten bzw. diesen untergeordnet sind. Denn nur wenn wir davon ausgehen können, dass diese Systeme Daten zuverlässig zur Verfügung stellen, können wir gewährleisten, dass das gesamte Netz reibungslos funktioniert.

Direktleitungen

Stellen Sie sich vor, ein sehr großer Stromabnehmender – zum Beispiel eine große Fabrik oder ein Rechenzentrum – möchte seinen Strom nicht über das normale öffentliche Stromnetz beziehen, sondern eine eigene, direkte Leitung von einem Kraftwerk oder einer großen Stromerzeugungsanlage zu seinem Standort bauen. Das ist eine Direktleitung, die laut aktuellem ElWG-Entwurf künftig möglich sein soll.

Unser Fazit: Wir stehen Direktleitungen äußerst kritisch gegenüber, da sie dazu führen könnten, dass Unternehmen oder Einrichtungen, die es sich finanziell leisten können, aus unserem gemeinsamen Stromnetz und dem damit verbundenen "Solidarsystem" verabschieden. Denn wenn sich große Verbrauchende über Direktleitungen vom öffentlichen Netz abkoppeln, fehlen deren Beiträge zur Finanzierung des gesamten Netzes. Die Kosten für den Betrieb und Ausbau des Netzes bleiben aber trotzdem bestehen. Das bedeutet, dass die verbleibenden Teilnehmer:innen, also die anderen Kund:innen, die das öffentliche Netz weiterhin nutzen, einen höheren Anteil an diesen Kosten tragen müssen. Vereinfacht gesagt: Es wird für alle anderen teurer!

Rund um die Netzbetreiber-Sicht auf das neue Elektrizitätswirtschaftsgesetz gibt es auch eine Hochspannungspodcast-Episode:

Podcast 1