Der Oberste Gerichtshof hat jüngst einen Entscheidung getroffen, in der es um die Festsetzung der Entschädigung für die Nutzung von Grundstücken im Sinne des Starkstromwegerechts geht. Umgangssprachlich gesagt, geht es um die Höhe der Entschädigung und ob auch an eine Stromleitung angrenzende Flächen betroffen und somit zu entschädigen sein können.

Bericht:

„Kronen Zeitung“ vom 07.05.2021

Nach OGH-Entscheidung verlieren auch Flächen rund um Strommasten-Trasse an Wert und müssen entschädigt werden

Freileitung nun doch viel teurer als gedacht

Ried/Kirchdorf. Nächster Erfolg für die Gegner der 110-kV-Freileitungen in Oberösterreich. Der Oberste Gerichtshof ist nun der Auffassung, dass bei Enteignungen nicht nur die Grundbesitzer unterhalb der Stromkabel entschädigt werden müssen. Auch das „Drumherum“ verliert an Wert und muss abgegolten werden.

Der Bau von Strom-Freileitungen könnte viel teurer werden

Der Bau von Starkstromleitungen könnte für die Netz Oberösterreich GmbH nun deutlich teurer als bisher angenommen werden. Ein Grundstückbesitzer entlang der Trasse von Kirchdorf nach Vorchdorf hat gegen die Enteignung eines Teils seines Waldes geklagt und beim obersten Gerichtshof einen Erfolg erzielt.

Statt 35.000 soll er nun rund 43.000 Euro erhalten. Grund: Die Trasse führt mitten durch einen Wald, wodurch sich das Risiko für Schäden durch Hagel, Sturm oder Insekten erhöht. Diese Faktoren wurden bis dato nicht berücksichtigt. „Der OGH hat auch entschieden, dass er eine Entscheidung aus dem Jahr 2013 nicht mehr aufrecht erhalten kann. Jetzt gilt, dass auch Flächen, die an die Stromleitungstrasse angrenzen, an Wert verlieren und deshalb ebenfalls entschädigt werden müssen“, erklärt Rechtsanwältin Fiona List. Bei allen Verfahren, die noch anhängig sind, müssen neue Gutachten erstellt werden. Beim Bau der 110-kV-Leitung von Ried nach Raab haben, wie berichtet, 57 Grundstücksbesitzer gegen die Enteignungen berufen.

Bei der Netz Oberösterreich bleibt man gelassen: „Wir nehmen das Urteil des OGH selbstverständlich zur Kenntnis. Wie sich die Entscheidung auswirken wird, können wir noch nicht sagen – das wird in jedem Einzelfall von den Fachgutachtern zu entscheiden sein. Auch der konkrete, auslösende Fall geht zurück an das Landesgericht Steyr.“

Bild 1

Im Bericht werden die Kernpunkte des Urteils wie folgt dargestellt:

Die Entschädigungen gebühren nicht nur Grundbesitzern, auf deren Eigentum die Leitungstrasse errichtet wird, sondern auch jenen „drumherum“
Die Faktoren im Schadensfall seien bisher nicht berücksichtigt gewesen.
Freileitungen werden deshalb nun „doch viel teurer als gedacht“

Faktencheck 1: Die Entschädigungen gebühren nicht nur Grundbesitzern, auf deren Eigentum die Leitungstrasse errichtet wird, sondern auch jenen „drumherum“

Die Formulierung ist unsauber, soll aber offenbar bedeuten, dass Entschädigungen nicht nur Grundeigentümern, die von Dienstbarkeiten direkt betroffen sind, gebühren, sondern auch Anrainern der Leitung. Das würde heißen, dass Entschädigungen für die Einräumung von Dienstbarkeiten nicht wie bisher nur denjenigen zuerkannt werden, auf deren Grundstücken sich auch entsprechende Dienstbarkeiten befinden, sondern auch Anrainern der Leitung, die von keiner Dienstbarkeit betroffen sind.

Diese Darstellung ist falsch. Die Behauptung, „dass bei Enteignungen nicht nur die Grundbesitzer unterhalb der Stromkabel entschädigt werden müssen, auch das „Drumherum“ verliert an Wert und muss abgegolten werden“ findet sich an keiner Stelle des Beschlusses des Obersten Gerichtshofes (6 Ob 108/20f). Es gilt wie bisher: für die Zuerkennung einer Entschädigung für eine Dienstbarkeit muss eine Dienstbarkeit vorhanden sein.

Falsch ist weiters, dass angeblich „der Wertverlust von Flächen, die an die Stromtrasse angrenzen,“ berücksichtigt werden müsse. Der OGH stellt fest, dass es sich nicht um einen Wertverlust handelt, sondern ein Schadenersatzanspruch aufgrund von Immissionen. Jeder Nachbar, der einen immisionsbedingten Schaden nachweisen kann, kann diesen schon immer nach §364a des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches bei den Zivilgerichten einklagen.
Neu ist laut OGH nur, dass jeder von einer Dienstbarkeit berührte Grundeigentümer im Bereich der Leitungstrasse diese Schadenersatzansprüche bereits im Verfahren zur Entschädigungsfestsetzung geltend machen kann.

Faktencheck 2: Im Schadensfall sei das bisher nicht berücksichtigt gewesen.

Diese Behauptung ist falsch. Fakt ist, dass alle Schadensfälle nach dem allgemeinen schadenersatzrechtlichen Grundlagen abgewickelt werden.

Fakt ist auch, dass in den Rahmenübereinkommen der Netz Oberösterreich mit der Landwirtschaftskammer Oberösterreich die Abgeltung solcher Schadensfälle (konkret Folgeschäden im Wald durch Windwurf, Schneedruck, etc.) immer mitberücksichtigt ist und hier der aufgrund unserer Leitungsanlage eingetretene Schaden nach entsprechender Bewertung durch einen Gutachter zur Gänze bezahlt wird. Ziel dieses Übereinkommens ist es, die Grundeigentümer bestmöglich abzusichern. Diese Vorgehensweise ist bisher auch von keinem einzigen Grundeigentümer beanstandet worden. Voraussetzung dafür ist jedoch eine Zustimmung zur einvernehmlichen Grundinanspruchnahme für die Errichtung den Betrieb der Leitung.

Faktencheck 3: Freileitungen werden deshalb nun „doch viel teurer als gedacht“

Diese Behauptung ist nur teilweise richtig. Wie in Faktencheck 1 und 2 erklärt, ist die Annahme, die zu diesem Schluss führt, falsch. Neu ist, dass im konkreten Anlassfall im Gutachten der Eintritt des immissionsbedingten Schadensfalles vom Sachverständigen als sicher dargestellt wurde, weshalb der immissionsbedingte Schaden für den Grundeigentümer gleich in der allgemeinen Entschädigung berücksichtigt wird. Bisher wurden diese Zahlungen erst bei tatsächlichem Schadenseintritt geleistet.