Freileitung und Erdkabel sind „Stand der Technik“
Freileitung oder Erdkabel? Wir erklären Ihnen die Unterschiede und Möglichkeiten, aber auch warum was möglich ist und warum was nicht.

Freileitung und Erdkabel
sind „Stand der Technik“

An der Frage Freileitung oder Erdkabel entbrennen immer wieder heftige Diskussionen. Man kann sagen, dass die Diskussion bei jedem Leitungsprojekt neu beginnt, aber immer mit „alten“, bekannten Argumenten geführt wird. Wir versuchen hier, die Unterschiede und Möglichkeiten, aber auch warum was möglich ist und warum nicht, aufzuzeigen.



Die Physik – Basis für das Stromnetz


Die Technik der Freileitung und des Erdkabels beruhen auf den gleichen physikalischen Naturgesetzen (Ohm´sches Gesetz, Kirchhoff´sche Gesetze). Beide Systeme sind technologisch ausgereift. Das heißt aber nicht, dass des wegen das eine oder andere „besser“ oder „technologisch überlegen“ ist.

Der hohe Reifegrad der Produkte und die Möglichkeiten der Technik erlauben heute einen gezielten Einsatz beider Systeme, Freileitung und Erdkabel. Aber: Nur weil etwas technisch machbar ist, heißt das nicht, dass es tatsächlich auch sinnvoll ist. Diese Rahmenbedingungen ergeben sich allerdings nicht aus den Individualmeinungen von Netzbetreibern, Politikern und selbsternannten Experten, sondern aus den Grundgesetzen der Physik.

Die Physik ist auch maßgeblich dafür verantwortlich, wie die Freileitung und das Erdkabel genutzt werden können. Die Faktoren sind

  • Spannung und Stromfluss
    Je höher die Spannung ist, mit der eine Leitungsverbindung (unabhängig ob Freileitung oder Erdkabel) betrieben wird, umso größer muss der Sicherheitsabstand sein. Kann dieser wie bei einem Erdkabel nicht eingehalten werden, so muss eine entsprechende Isolierung vorhanden sein, die auch bei geringeren Abständen die Sicherheit der Leitung aber auch der Umgebung garantiert.
  • Betriebsweise des Netzes
    Sie ist ein weiterer wichtiger Faktor, der die Nutzungsmöglichkeiten von Freileitung und Erdkabel beeinflusst. Bei der Betriebsweise des gelöschten Netzes (wie es in ganz Österreich und den benachbarten Ländern verwendet wird), ist nur ein begrenzter Anteil an Kabellängen möglich. Die Einhaltung dieser Längen („Löschgrenze“) ist wesentlich für die Sicherheit der Stromleitung. Diese Beschränkung der Kabellängen gibt es bei anderen Betriebsweisen nicht, dafür bestehen hier andere Wechselwirkungen, die es bei der Wahl der Betriebsweise abzuwägen gilt.

 


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„Die Freileitung ist eine Uralt-Technik“


Die Freileitung kommt seit Beginn der Stromversorgung Ende des 19. Jahrhunderts zum Einsatz. Die Gründe dafür sind einfach: Die Leiterseile der Freileitungen konnten schon damals ohne großen Aufwand gefertigt werden. Erdkabel und vor allem ihre Isolierung waren damals hingegen ein Problem. Sie konnten noch nicht in der entsprechenden Qualität und Haltbarkeit hergestellt werden, um langfristig eingesetzt werden zu können.

Aus diesem Grund bauen alle historisch gewachsenen Stromnetze weltweit auf Freileitungsnetzen auf. Leiterseile von Freileitungen sind technisch weitestgehend ausgereift und standardisiert. Sie werden heute ohne großen Aufwand industriell gefertigt.


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Die Freileitung hat als Übertragungssystem noch lange nicht ausgesorgt. Es war, ist und bleibt für den sicheren Stromtransport unverzichtbar.



Auf einen Blick: Die Vorteile und Nachteile


Vorteile der Freileitung:

  • Die Luft, die die Leiterseile umgibt, ist ein sehr gutes Isoliermedium. Schon das Einhalten der elektrotechnisch erforderlichen Mindestabstände zum Leiterseil gewährleistet einen sicheren Betrieb.
  • Die Montage ist wie die Fehlersuche relativ einfach.
  • Die Übertragungsverluste sind gering.
  • Die Errichtungskosten sind moderat.

Das System hat natürlich auch Nachteile:

  • Eine Freileitung ist sichtbar.
  • Das System kann von Witterung und anderen Einflüssen beeinflusst werden.


„Das Erdkabel ist eine Zukunftstechnik“


Die oben beschrieben bauen weltweit alle gewachsenen Stromnetze auf allen Spannungsebenen auf Freileitungsnetzen auf. Dies vor allem deshalb, weil Erdkabel Ende des 19. Jahrhunderts schlicht noch nicht in der entsprechenden Qualität und Haltbarkeit hergestellt werden konnten. Heute erfolgt die Herstellung von Erdkabeln ebenso industriell und ist wie beim Leiterseil der Freileitung standardisiert.

Tatsache ist aber auch, dass der Aufwand bei der Erdkabel-Herstellung um ein Vielfaches höher ist als bei Leiterseilen und abhängig von der Betriebsspannung weiter steigt. Tatsächlich ist es nach wie vor eine Tatsache, dass Erdkabel-Systeme immer noch eine wesentlich kürzere Lebensdauer (ca. die Hälfte) als Freileitungen. Die Herstellerangaben variieren hier von 40 bis 50 Jahren. Die Haltbarkeit einer Freileitung liegt bei ca. 80 bis 100 Jahren.

Die Gründe für diesen Mehraufwand sind leicht nachvollziehbar:

  • Isolierung des Kabels für einen sicheren Betrieb
    Ein Erdkabel muss einen entsprechend kompakten Aufbau haben, damit es sicher in der Erde verlegt werden kann. Deshalb besteht die Isolierschicht aus speziellem Kunststoff, der über besondere Eigenschaften verfügen und trotzdem als Ganzes beweglich und biegbar bleiben muss. Der Aufwand bei der Kabel-Produktion steigt mit der Betriebsspannung. Hoch- (110.000 Volt) und Höchstspannungskabel (380.000 bzw. 400.000 Volt) werden deshalb in reinraum-ähnlichen Umgebungen gefertigt.
  • Beeinflussung durch Wärme
    Bei jedem Erdkabel entsteht im Betrieb durch Spannung und Stromfluss Wärme. Diese kann durch die Isolierung und die umgebende Erde zum Teil schlecht abgeführt werden. Bei niedrigen Spannungen ist die Wärmeabfuhr durch die geringere Dicke der Isolierung besser als bei Hochspannungskabeln für 110.000 Volt und mehr Beim Verlegen von Hochspannungskabeln werden zu einer Verbesserung der Wärmeableitung in die Kabelumgebung die Kabelsysteme zum Teil in ein Bett aus Spezialbeton gelegt, was die Wärmeabfuhr unterstützen soll. Bei Höchstspannungsnetzes werden teilweise aktive Kühlungsmaßnahmen gesetzt, um die Wärme abführen zu können. Zur Veranschaulichung: Ein Erdkabel im 110.000 Volt-Hochspannungsnetz wird permanent unter einer Wärmeentwicklung von 50 bis 100 Grad Celsius betrieben. Warum ist die Abfuhr der Wärme notwendig? Die Wärme beeinflusst die Isolierung des Kabels und führt zu schnellerer Alterung bis hin zur Zerstörung. Und: Steigt die Wärme des Leiters, steigen die Verluste bei der Übertragung.

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Das Erdkabel

Erdkabel sind wie die Freileitung seit langem Stand der Technik. Weil es bei hoher Spannung viele Probleme bereitet, wird es immer wieder heftiger diskutiert.



Die Vor- und Nachteile des Erdkabels


Vorteile des Erdkabels:

  • Nach der Errichtung nicht mehr sichtbar.
  • Sehr guter Schutz vor atmosphärischen Einwirkungen.
  • Bei niedrigen und mittleren Spannungen nur unwesentlich teurer als Freileitungen.
  • Einsatz in Umgebungen möglich, wo normalerweise die Sicherheitsabstände zu Freileitungen nicht eingehalten werden können (städtisches oder dicht verbautes Gebiet).

Nachteile des Erdkabels:

  • Spezielle Maßnahmen sind erforderlich, um einen sicheren Betrieb zu gewährleisten (Isolierung).
  • Der Einsatz ist physikalisch stark durch die Spannung und die Betriebsweise beeinflusst.
  • Ein Hochspannungserdkabel ergibt über größer Strecken einen sehr großen Kondensator der, wenn wie Fall des Erdkabels nicht am richtigen Ort gezielt eingesetzt wird, in elektrischen Stromkreisen schwer beherrschbar ist. (Einschaltverhalten, Blindleistung, Erdfehlerstrom im gelöschten Netz)
  • Es wird durch die Verlegung speziell im Hoch- und Höchstspannungsbereich wesentlich mehr Boden als bei der Freileitung beansprucht. Die Kabelstücke können derzeit nur bis zu 1.000 Meter lang werden, um Transport und Bearbeitung zu ermöglichen. Deshalb muss rund alle 1.000 Meter ein spezieller Schacht in Größe eines Swimming-Pools errichtet werden, in dem die Kabelstücke verbunden werden können. Diese Verbindungsstellen sind im Betrieb auch die Schwachstellen des Erdkabels.
  • Es kommt zu einer Wärmebeeinflussung des umliegenden Erdreiches.
  • Höhere Errichtungskosten vor allem im Hoch- und Höchstspannungsbereich.
  • Erdkabel-Hersteller garantieren eine wesentlich kürzere Einsatzzeit als bei Freileitungen. Die Lebensdauer eines Erdkabels beträgt in etwa die Hälfte jener eines Freileitungs-Leiterseiles.
  • Die Reparatur eines Erdkabelschadens ist deutlich aufwändiger als bei einer Freileitung. Deutsche Netzbetreiber sprechen von durchschnittlich rund 25 bis 30 Mal längeren Reparaturzeiten im Vergleich zur Freileitung.

„Ein Erdkabel ist nicht machbar“


Die Behauptung, ein Erdkabel sei „nicht machbar“ ist im Normalfall immer aus dem Zusammenhang gerissen und in der Regel gut begründet. Tatsache ist, dass Erdkabel auf allen Spannungsebenen (Niederspannung, Mittelspannung, Hoch- und Höchstspannung) und Spannungsarten (Wechselspannung, Gleichspannung) und den sich daraus ergebenden Kombinationen weltweit zum Einsatz kommen.

Entscheidend ist neben der technischen Umsetzbarkeit vielmehr, ob auch ein technisch und wirtschaftlich sinnvoller sowie sicherer Betrieb des Erdkabels möglich ist. Denn dass im Sinne aller nur ein möglichst sicheres Stromversorgungssystem in Betrieb genommen werden sollte, sollte außer Streit stehen.

Diese Faktoren zu Errichtung und Betrieb eines Erdkabels sind im Wesentlichen vom Umfeld (Struktur und Betriebsspannung des Stromnetzes sowie dessen Betriebsweise) abhängig. Auch hier geben die physikalischen Grundgesetze den Rahmen vor. Viele Lösungen lassen sich mit allerlei technischen Hilfsmitteln verwirklichen, das wird aber nicht immer sinnvoll und wirtschaftlich sein.

Die Aussage „Ein Erdkabel ist nicht machbar“ lässt sich an einem konkreten Beispiel verständlich nachvollziehen:

Ein Erdkabel vom Ort A in den Ort B kann fast immer verlegt werden. Nur in wenigen Fällen sprechen tatsächlich die geologischen Gegebenheiten dagegen. Das wären zum Beispiel Sumpfgebiete, geologisch instabile Hanglagen oder Ähnliches. Aufgrund der gewählten Betriebsweise des Netzes und der physikalischen Gesetze kann die maximale Kabellänge im Netz aber beschränkt sein. Würde diese Grenze z.B. im „gelöschten Netz“, wie es in Österreich zum Einsatz kommt, mit Inbetriebnahme des Kabels überschritten werden, könnte die Erdkabelverbindung nicht mehr sicher betrieben werden. Damit werden sicherheitstechnische Vorgaben nicht erreicht und das Erdkabel dürfte nicht in Betrieb genommen werden. In der Gesamtheit betrachtet wäre die Aussage „Ein Erdkabel ist nicht machbar“ dann korrekt.



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